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Wer CO2 speichert, sollte profitieren

Top agrar Interview mit Baron Max von Elverfeldt, neuer Bundesvorsitzender der Familienbetriebe Land und Forst

Top agrar: Wo wollen Sie als neuer Vorsitzender die Familienbetriebe Land und Forst im politischen Berlin platzieren?

Von Elverfeldt: Der bisherige Vorsitzende hat 24 Jahre die Werte und Ziele unseres Verbandes hervorragend in die Politik und in der Gesellschaft kommuniziert und sich dafür eingesetzt. Darauf will ich aufbauen und natürlich auch meine Akzente setzen. Ich blicke da zum Beispiel auf den Klimawandel und die Biodiversität als Themen, die uns massiv betreffen.

Welche Ziele haben sie sich als neuer Vorsitzender gesteckt?

Von Elverfeldt: Für uns als Verband ist die Stärkung des Ländlichen Raums ein essentielles Thema. Uns geht es vor allem um die unternehmerische Freiheit der Betriebe. Außerdem ist uns das Eigentum an Grund und Boden wichtig. Mit dem Eigentum einher geht das generationsübergreifende, nachhaltige Wirtschaften. Das funktioniert nur mit einer langfristigen Eigentumssicherheit.

Sehen Sie die Eigentumssicherheit im ländlichen Raum in Gefahr?

Von Elverfeldt: Wir bekommen momentan eine gesellschaftliche Diskussion, die mir große Sorge bereitet. Wenn in den Städten über die Verstaatlichung von Wohnungseigentum gesprochen wird, so wie es in Berlin derzeit der Fall ist, dann stellt sich die Frage, ob das nicht irgendwann auf den ländlichen Raum überschwappt. Relevant für uns sind allerdings die zunehmenden Nutzungseinschränkungen des Grundeigentums. Wie frei und eigenständig kann ich mit meinem Eigentum agieren bzw. welchen Beschränkungen bin ich unterworfen? Wir Land- und Forstwirte sind doch als aller erstes daran interessiert, dass Grund und Boden und das Ökosystem Wald in gutem Zustand sind und erhalten bleiben. Schließlich ist der Boden  für uns die Lebensgrundlage.

Überlassen Sie die Agrarpolitik dem DBV, sowie es die DLG eine lange Zeit getan haben, oder mischen Sie sich in die nationale und europäische Agrarpolitik mit eigenen Impulsen ein?

Von Elverfeldt: Für uns ist klar, dass der Bauernverband das politische Sprachrohr für die Bauern in Deutschland ist. Dazu sehen wir uns nicht in Konkurrenz. Genauso ist es mit dem Waldeigentümerverband. Zu beiden pflegen wir enge Verbindungen. Wir als Familienbetriebe Land und Forst haben unseren Schwerpunkt bei Eigentumsfragen an land- und forstwirtschaftlichen Flächen, denn unsere Mitgliedsbetriebe sind überwiegend Eigentumsbetriebe. Der DLG Präsident Hubertus Paetow sitzt bei uns auch im Vorstand, insofern ist dort eine enge Abstimmung auch gegeben. Es ist besser, dass wir uns zwischen den Verbänden zur Agrarpolitik abstimmen und dann gemeinsam nach draußen gehen, als miteinander zu konkurrieren.

Es gibt bereits eine enge Zusammenarbeit im Forum Natur. Welche Themen bieten sich dafür an?

Von Elverfeldt: Das Aktionsbündnis Forum Natur versteht sich als Stimme des ländlichen Raums. Das Bündnis besteht aus unterschiedlichen Nutzerverbänden und geht dabei von den Reitern über die Angler, die Jäger bis zu den Landwirten und Waldbauern. Alle haben im Detail zwar unterschiedliche Interessen, unser gemeinsames Hauptanliegen ist aber die Stärkung des ländlichen Raumes. Zusammen vertreten wir 6 Millionen Mitglieder, die den Naturraum nutzen. Nur durch die Nutzung können wir die Kulturlandschaft pflegen und damit auch die Artenvielfalt erhalten und stärken. Der Gegensatz dazu sind z.B. Wildnisgebiete, die absichtlich aus der Nutzung genommen werden oder etwa Nationalparke, wo der Mensch eher unerwünscht ist. Aktuell für uns ist das Thema Wolf, das uns alle im ländlichen Raum betrifft. Entsprechen agieren wir hier  gemeinsam.

Wie wollen Sie sich gegenüber dem größer werdenden Druck der Gesellschaft mit Blick auf Klima-, Arten- und Tierschutz stellen?

Von Elverfeldt: Ich habe grundsätzlich einen versöhnenden Ansatz und sage, ich will mit allen Seiten sprechen. Ich finde es zum Beispiel sehr unglücklich, wie es in Brandenburg beim Volksbegehren zur Artenvielfalt gelaufen ist. Die Nutzerverbände wollten die Naturschutzverbände mit ins Boot holen. Das hat nicht geklappt. Nun bringen dort die Naturschutzverbände ihr eigenes Volksbegehren auf den Weg. Ein Positivbeispiel ist für mich hingegen Nordrhein-Westfalen. Dort wurden alle Beteiligten von der Landesregierung zu einer Artenschutzkonferenz geladen. Das war eine konstruktive gemeinschaftliche Veranstaltung. Vor dem Hintergrund sollen nun gemeinsam Lösungen gefunden werden, wie wir die Artenvielfalt in NRW stärken können. Was uns von den Zielen der Naturschutzverbänden unterscheidet ist, dass wir Betriebe von der Nutzung der Natur leben müssen. Denn auf den Blühstreifen können wir zum Beispiel nichts ernten. Deshalb ist für uns in der Debatte immer auch der ökonomische Aspekt wichtig. Wir müssen Möglichkeiten finden, wie wir für den Artenschutz finanziell entlastet oder besser honoriert werden.

Damit sind wir bei der GAP. Wie bewerten Sie den Stand der Diskussion zur EU-Agrarreform?

Von Elverfeldt: Durch die Europawahl ist der Prozess verzögert worden. Wir unterstützen bisher grundsätzlich die Position der Bundesregierung. Die Höhe des Agrarbudgets muss stabil bleiben, es darf zu keinen Kürzungen kommen. Wir stehen auch weiterhin hinter dem Zwei-Säulen-Modell. Wir brauchen eine starke erste Säule, weil die Landwirtschaft sich dem Weltmarkt stellen muss und einen Ausgleich für die höheren Standards in Deutschland und der EU braucht.

Halten Sie die pauschalen Direktzahlungen noch für zukunftsfähig? Von Elverfeldt: Die Argumentation dafür in der Gesellschaft wird sicher schwieriger. Wenn wir davon runter kommen wollen, brauchen wir die entsprechende Zeit, um uns darauf einstellen zu können.

Welches Mindestbudget für Umweltleistungen sollte die neue GAP vorhalten?

Von Elverfeldt: Die Umweltleistungen sollten gestärkt werden. Unsere Sorge bei der Umschichtung von der ersten in die Zweite Säule ist aber, ob das Geld dann auch in die Landwirtschaft fließt. Denn in der zweiten Säule wird das Geld auch für viele andere Dinge genutzt. Wenn man darauf achtet, dass das Geld aus der zweiten Säule dem Landwirt zu Gute kommt, dann kann man über die Jahre zu einer höheren Umschichtung kommen.

Geplant ist auch ein Mindestanteil an nicht produktiven Flächen, unterstützen Sie den Ansatz?

Von Elverfeldt: Jeder Prozentsatz, den wir aus der Nutzung nehmen müssen, tut weh. Mir wäre es viel lieber, wenn wir die Umweltanforderungen über die Agrarumweltmaßnahmen erfüllen könnten. Wir hatten ja schon mal die 10 Prozent Flächenstilllegung. Wenn die Gesellschaft es möchte, dass der Bauer sich zum Landschaftspfleger entwickelt, dann muss er auch dafür bezahlt werden. Eine Flächenstilllegung, die kostenlos zur Verfügung gestellt wird, kann es jedenfalls nicht sein.

Wie bewerten sie die stärkere Förderung der ersten Hektare im Vergleich zur alternativen Kappung der Agrarzahlungen für Großbetriebe?

Von Elverfeldt: Ich kann die Förderung der ersten Hektare nur unterstützen. Kleinere und mittlere Strukturen sollten wir möglichst erhalten und jungen Betriebsleitern ermöglichen, sich auszubauen. Deshalb finde ich den Ansatz mit den ersten Hektaren viel besser als eine Kappung oder Degression.

Erwarten Sie, dass es unter den heutigen Herausforderungen wieder eine größere Differenzierung auf den Betrieben geben wird, nach den vielen Jahren der Intensivierung auf wenige Standbeine?

Von Elverfeldt: Ich glaube nicht, dass wir wieder dazu zurückkommen, dass von Schweinen bis zum Milchvieh alle Tierveredelungen wieder auf einem Hof gebündelt werden. Aber es wird zunehmend andere Wirtschaftszweige neben der Landwirtschaft auf den Betrieben geben, sei es Erneuerbare Energien, Gastronomie, Direktvermarktung oder Vermietungen. Andere Geschäftsbereiche kommen hinzu, aber die sind weniger im originären Landwirtschaftsbereich angesiedelt, glaube ich.

Die Landwirtschaft und vor allem die Forstwirtschaft spüren noch immer die Auswirkungen der letztjährigen Dürre. Welche Konsequenzen ziehen Sie aus dem Jahr, das evtl. gar kein Ausnahmejahr mehr ist?

Von Elverfeldt: Wir müssen damit leben, dass der Klimawandel da ist. Wir sind die, die als erstes darunter leiden. Der Wald ist in einem katastrophalen Zustand durch die Dürre und wir haben riesen Borkenkäferprobleme. Die Waldbesitzer wissen gerade nicht, wie sie die vielen vom Borkenkäfer befallenen Bäume aus den Wäldern bekommen sollen, ob und wie sie sie verkauft bekommen und was sie dann auf den gerodeten, ausgetrockneten Flächen aufforsten sollen. Welche trocken toleranten Bäume gibt es und reicht das Geld, die Flächen aufzuforsten? Mit den Wäldern stellen wir der Gesellschaft eine Erholungsfläche und ein wichtiges Ökosystem zur Verfügung. Nun muss die Gesellschaft auch erkennen und verstehen, dass Sie uns helfen muss, wenn wir die Auswirkungen des Klimawandels ökonomisch nicht mehr alleine stemmen können.

Was muss geschehen, damit die Landwirtschaft und die Forstwirtschaft widerstandsfähiger gegen Extremwetterlagen wird?

Von Elverfeldt: Wir brauchen jetzt klimaresistente Pflanzen. Im Forst müssen wir neben den heimischen Baumarten auch auf international verbreitete Baumarten zurückgreifen. Die Roteiche aus Nordamerika halte ich für einen essentiellen Baum, auch die Douglasie, die Esskastanie. Die sind alle widerstandsfähiger. Den Umbau können die Waldbauern aber alleine nicht stemmen. Es müsste für alle von Interesse sein, dass wir einen gesunden Wald hinbekommen. Deshalb fordern wir von Bund und Ländern dafür Unterstützung ein. Bisher ist es aber ehrlich gesagt sehr wenig, was wir da zurückbekommen.

Warum dringen Sie nicht durch in der Politik?

Von Elverfeldt: Wir haben viele Gespräche geführt, in den Ländern und im Bund. Die sehen unsere Problematik. Es hat sich jedoch noch nicht überall rumgesprochen.

Welche Hilfe stellen Sie sich denn vor?

Von Elverfeldt: Es wird über CO2-Einsparung diskutiert, über eine CO2-Abgabe oder den Handel von Emissionszertifikaten. Wir sollten aber nicht nur darauf blicken, wer alles CO2 verbraucht und was die dafür zahlen sollen. Sondern es müssen auch die Wirtschaftszweige profitieren, die CO2 einspeichern. Da sind wir mit dem Wald ganz vorne dabei. Der Wald ist der CO2-Speicher schlechthin. Die Politik könnte den Waldbesitzern Emissionszertifikate zuschreiben und wir könnten diese dann entsprechend unserer Speicherleistung verkaufen. Das wäre eine Marktlösung, ohne dass der Steuerzahler dafür herangezogen werden müsste. Wenn wir das über einen Zertifikate-Handel hinbekommen würden, wäre das eine gute Lösung. Der Wald ist schwer betroffen vom Klimawandel. Es muss finanzielle Möglichkeiten geben, mit denen wir die CO2-Speicherung des Waldes auch langfristig garantieren können.

Die Forstwirtschaft hat Erfahrungen mit der Risikoausgleichsrücklage und nutzt sie kaum. Warum? Hat sich damit das Instrument für die Landwirtschaft auch deklassiert?

Von Elverfeldt: Jede steuerliche Einsparungsmöglichkeit ist hilfreich. Bei der Risikoausgleichsrücklage wird verlangt, das Geld auf einem Konto fest anzulegen, bis es im Schadensfall genutzt werden kann. Das ist ein Dilemma für die Landwirtschaft. Denn das können und wollen wir landwirtschaftlichen Unternehmer so nicht. Wir wollen das Geld, das wir als Rücklage generieren, in unseren Betrieben in Produktionsmittel, Maschinen oder Geräte investieren und nicht irgendwo festlegen, wo wir nicht drankommen. Der Risikoausgleich muss so ausgestaltet sein, dass die Bauern ihn faktisch auch nutzen können, damit es eine breite Abdeckung gibt und Notzahlungen wie 2018 nicht mehr notwendig sind.

Die Regierung plant den Mehrwertsteuersatz für die Dürreversicherung runter zu setzen. Reicht das aus?

Von Elverfeldt: Das ist ein guter Ansatz. Allerdings ist noch nicht klar, wie sich das auf die Höhe der Versicherungsprämien auswirkt. Grundsätzlich sind alle Ansätze gut, die uns unabhängig von staatlichen Hilfsgeldern machen, gut. Was mir sehr gut gefällt ist die Initiative aus Sachsen-Anhalt. Dort überlegt die Landesregierung einen Extremwetterfonds aufzusetzen. Dort können regelmäßig staatliche Mittel einfließen. Und sobald es zum Katastrophenfall kommt, gibt es diesen Fonds aus dem Hilfen gezahlt werden können und der dann auch relativ unkompliziert wieder aufgefüllt werden kann. Ich hoffe, dass sich andere Länder mit Blick auf den Klimawandel diesem Vorhaben anschließen.

Die Bundesregierung hat einen Kompromiss zum Umgang mit dem Wolf gefunden. Wie bewerten Sie den?

Von Elverfeldt: Das ist aus meiner Sicht nur ein erster Schritt. Es ist gut, dass überhaupt mal etwas passiert ist. Künftig muss nicht der Problemwolf erst identifiziert werden, sondern ganze Rudel können angegangen werden, wenn es zu Rissen kommt. Richtig ist, dass die Jagdausübungsberechtigten mit ins Boot geholt werden und es keine staatlichen Wolfsjäger geben soll. Eine breite Jägerschaft kann ein aktives Wolfsmanagement besser bewältigen. Wir wollen aber  erreichen, dass der Wolf ins Jagdrecht kommt und feste Bestandsquoten festgelegt werden.

Das BMEL verspricht, dass es über den Bundestag mehr herausholen will. Das BMU mauert. Erwarten sie kurzfristig noch eine Lockerung?

Von Elverfeldt: Die Gesetzesänderung muss ja noch durch den Bundestag. Da erhoffen wir uns noch etwas mehr Entgegenkommen in unsere Richtung. Langfristig wollen wir dahin, dass der Schutzstatus des Wolfes im EU-Recht herabgesetzt wird. Die Stimmung auf dem Land ist mit Blick auf den Wolf gerade in Niedersachsen, Brandenburg und Sachsen ordentlich aufgeheizt. Ich glaube, es wird dort erst wieder ruhiger, wenn ausreichend Wölfe entnommen wurden. Wir wollen den Wolf als Art erhalten aber es kann nicht angehen, dass wir dafür so viele Nutztierrisse tolerieren müssen.

Die Bundesregierung will den Bodenmarkt mehr regulieren und vor allem bei den Anteilsverkäufen eingreifen. Wie bewerten sie die Vorhaben auf dem Bodenmarkt?

Von Elverfeldt: Uns als Verband tangiert das nicht so. Wir sind ein Verband von Familienbetrieben, die ihre Betriebe an die Nachkommen übergeben und in Generationen denken. Das Investorenthema berührt uns nicht. Wir haben in den Regionen eher die Widereinrichter in unserer Mitgliedschaft, deren Betriebe kommen aber nicht auf den Markt. Es ist wahnsinnig schwierig eine Grenze zu ziehen, wo ich Eigentum reguliere und wo nicht. Und weil mir die Eigentumsfreiheit so wichtig ist, würde ich da eher Abstand nehmen, zumal aus unserer Sicht ein ausreichendes Instrumentarium in Form des Grundstücksverkehrsgesetzes zur Verfügung steht.

Das Interview ist im August bei topagrar erschienen.