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EU-Vorschlag gegen unfairen Handel stößt auf offene Ohren

EU-Agrarkommissar Phil Hogan will mit seinen in dieser Woche vorgestellten Vorschlägen Lebensmittelerzeugern und Landwirten einen gleichberechtigten Platz gegenüber Discountern und Handelsketten in der Lieferkette zuweisen. Bereits kommenden Montag sollen die Agrarminister der Mitgliedstaaten darüber bei ihrem Treffen in Luxemburg beraten. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner äußert sich im Vorfeld angetan von der Initiative. „Kleinere Landwirtschaftsbetriebe sollen nicht benachteiligt werden durch unfaire Handelspraktiken in der Lieferkette. Phil Hogan macht dazu interessante Vorschläge“, twitterte Klöckner in einer ersten Reaktion auf die Vorschläge am Donnerstagmorgen.

 

Der Deutsche Bauernverband (DBV) hält den EU-Vorschlag zu unlauterem Handel indes für nicht weitreichend genug. „Dieser Vorschlag ist ein wichtiger, erster Schritt gegen unfaire Praktiken im Lebensmittelhandel. Damit werden im europäischen Recht erstmals Mindestregeln gegen den Missbrauch von Einkaufsmacht durch den Lebensmitteleinzelhandel anerkannt und gesetzt. Diese Regeln müssen für die gesamte Lebensmittelbranche gelten und wirksam von den Kartellbehörden durchgesetzt werden“, sagte der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied. Der DBV fordert darüber hinaus, die kartellrechtlichen Möglichkeiten zur Bündelung auf Erzeugerebene auf alle von Landwirten getragenen Vermarktungs- und Verarbeitungsorganisationen - einschließlich der Genossenschaften - zu erweitern: „Wir müssen hier noch deutlich weitergehen, um die landwirtschaftlichen Erzeuger in der Lebensmittelkette zu stärken und eine höhere Marktransparenz über die Verteilung der Wertschöpfungsanteile in der Lebensmittelkette anstreben“, so Rukwied weiter.

 

Der Vorschlag der EU-Kommission für EU-weite Mindestregeln gegen unfaire Handelspraktiken wird nun vom EU-Ministerrat und vom Europäischen Parlament beraten. Mit einer Verbotsliste sollen konkret definierte unlautere Handelspraktiken in der Lebensmittellieferkette verhindert werden, z.B. Zahlungsfrist von maximal 30 Tagen und Verbot nachträglicher, sachgrundloser Rabatte. Die Durchsetzung der Mindeststandards soll für die Mitgliedstaaten verbindlich vorgeschrieben werden. Der DBV fordert, dass im weiteren Verfahren kritisch geprüft werden müsse, ob diese Verbotsliste für unlautere Handelspraktiken ausreichend sei. Als nicht nachvollziehbar bezeichnet der DBV die vorgesehene Beschränkung auf kleinere und mittlere Unternehmen (bis 50 Mio. Euro Jahresumsatz und 250 Mitarbeiter). Aus seiner Sicht steht grundsätzlich die gesamte Lebensmittelwirtschaft unter dem erheblichen Verhandlungsdruck der hochkonzentrierten Handelsketten, der in die vorgelagerten Stufen durchgereicht wird und letztendlich zu Lasten der Erzeuger gehe. Der DBV will sich daher im Rahmen des europäischen Gesetzgebungsprozesses nachdrücklich für entsprechende Korrekturen einsetzen, kündigt er an.

 

Auch die Grünen im Europaparlament fordern weitreichendere Eingriffe. „Nicht nur Supermärkte wie Edeka und Aldi behandeln Produzenten unfair, sondern auch große Genossenschaften und Verarbeiter wie Arla, BayWa und Deutscher Milchkontor. Das muss mit bedacht werden“, sagte die EP-Abgeordnete der Grünen Maria Heubuch. Außerdem müsse sichergestellt werden, dass Konzerne die neuen Regeln nicht einfach umgehen könnten. Das EU-Wettbewerbsrecht solle künftig auch prüfen, wie sich Fusionen auf Umwelt, Gesundheit und andere öffentliche Interessen auswirken, forderte Heubuch mit Blick etwa auch auf die zunehmende Konzentration der Anbieter auf dem Saatgut- und Pflanzenschutzmittelmarkt.

 

Weitergehende Änderungen im Kartellrecht fordert indes die Linke. Die Vorschläge von EU-Agrar-Kommissar Hogan sind deshalb höchstens weiße Salbe auf eine lebensbedrohliche Wunde“, erklärt Kirsten Tackmann, agrarpolitische Sprecherin der Fraktion der Linken im Bundestag. Das Einschreiten gegen „die erpresserischen Handelspraktiken bei Lebensmitteln“ sei überfällig, so Tackmann weiter. „Das Kartellrecht muss endlich so gestärkt werden, dass Gemeinwohlinteressen durchsetzbar werden“, forderte sie. Das gelte vor allem für die Landwirtschaft, damit diese von ihren erzeugten Produkten leben könne.Topagrar